Ein Tag in der Krise
Krisen gehören zu unserem Alltag dazu. Manchmal geht es unseren Kindern und Jugendlichen aus den verschiedensten Gründen nicht gut und dann kommt es schon einmal vor, dass wir sie in ihrer Krise gut unterstützen müssen.
Auf diese Art von Krisen sind wir eingestellt. In Ausnahmesituationen kann man meist nur bedingt nach einem Schema F handeln, da jede einzelne ihre eigenen Ursachen hat und ihre eigene Entwicklung nimmt. Die aktuelle Krise ist mit unseren üblichen aber nicht zu vergleichen – die Coronavirus Pandemie hat uns einerseits überrascht, andererseits gelten nun neue Gesetze.
Schon für uns Erwachsene ist es zum Teil nur schwer zu verstehen, wie sich der Virus verbreitet und welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, dass so wenig Menschen wie möglich sich damit infizieren. Für Kinder und Jugendliche ist es zum Teil noch ein wenig schwieriger, das Thema zu begreifen und auch entsprechend zu agieren. In den Kinderdörfern versuchen wir die Themen der Kinder zu erkennen und sie mit ihnen gemeinsam so zu lösen, dass sie in Zukunft nicht mehr auf die Hilfe der Sozialpädagog*innen bzw. der Erwachsenen angewiesen sind. Nun aber gibt es ein übergeordnetes Thema. Eines, das andere in den Hintergrund rücken lässt und dadurch eine höhere Priorität hat. Gleichzeitig dürfen wir aber die persönlichen Bedürfnisse unsere Kinder nicht ignorieren bzw. vergessen, denn diese sind für ihre positive Entwicklung wichtig.
Diesen Balanceakt gilt es täglich zu absolvieren und wir tun unser Bestes, damit wir unseren Kindern und Jugendlichen eine Umgebung in dieser Krise bieten können, in der trotz alle dem eine positive Entwicklung möglich ist.
Ein Einblick in unseren aktuellen Kinderdorfalltag
Für unser Kinder und Jugendlichen ist ein geregelter Tagesablauf wichtig – den gibt es auch abseits der Krise ab dem Aufstehen am Morgen.
Nachdem wir uns gemeinsam mit einem Frühstück gestärkt haben, wird der Esstisch gesäubert und der Tagraum wird zu einem Klassenzimmer umgewandelt. Da jedoch bis zu 10 Kinder und Jugendlichen unterschiedlichen Alters in einer Wohngruppe leben, wäre eine Heimbeschulung auf so engem Raum nur schwer durchführbar. So wurden in den Wohngruppen die Untergeschoße ebenfalls in Klassenzimmer umgewandelt und mit entsprechenden Tischen und Sesseln ausgestattet. Die Dienstzeiten der Sozialpädagog*innen, der Zivildiener und der Mitarbeiterinnen des Freiwilligen Sozialen Jahres, wurden so gewählt, dass am Vormittag genügend personelle Ressourcen vorhanden sind, dass auch jedes Kind schulisch gut unterstützt werden kann. Durch die unterschiedlichen Schulstufen der einzelnen können Sie sich vorstellen, dass auch unsere Köpfe manchmal zu rauchen beginnen – immerhin sind 6-8 unterschiedliche Schulstufen, von Vorschule – Gymnasium nicht zu unterschätzen und gleichen manchmal einer Mammutaufgabe.
So müssen auch wir Sozialpädagog*innen unser schulisches Wissen auffrischen, damit wir den Kindern und Jugendlichen eine Unterstützung darstellen und sie auch bei Laune halten. Dies versuchen wir beispielsweise, indem wir uns Thementage überlegen, die wir mit den Kindern zuvor bestimmen. So haben wir bereits die Olympischen Spiele näher beleuchtet, aber auch zu Themen wie Fledermäuse oder Elefanten berichteten wir den Kindern. Dafür bereiten wir Materialien wie Arbeitsblätter vor, tauschen rund um den Esstisch unser Wissen aus und sehen uns gemeinsam mit den Kindern Dokumentationen zu dem Thema an. Das erlangte Wissen wird dann zum Beispiel in Form eines Quiz überprüft oder auf Plakaten dargestellt. Dabei müssen Groß und Klein zusammenarbeiten und die Ergebnisse können sich sehen lassen.
Um die Energievorräte wieder aufzufüllen schieben wir auch Turnstunden ein, wo wir uns gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen bewegen.
Mit dem Mittagessen ist die Heimbeschulung zumeist abgeschlossen und es werden noch die Arbeitsblätter bzw. erledigten Seiten in den Schulbüchern eingescannt und via Mail verschickt oder auf eine Lernplattform hochgeladen – so können die Lehrer*innen unsere Kinder und Jugendlichen ihre Arbeiten korrigieren und uns Rückmeldung geben.
Der Nachmittag steht dann ganz im Zeichen der Freizeitgestaltung, da aktuell die Großzahl der Freizeit- und Therapieangeboten ausfallen. Da wird wieder gesportelt, gemeinsam gebacken, das Abendessen vorbereitet oder einfach mal vor dem Fernseher gefaulenzt – das darf natürlich auch sein.
Dadurch, dass aktuell auch alle Heimfahrten und Besuchskontakte von und zu den Kindeseltern gestrichen sind, klingeln meist schon am späten Nachmittag die Telefone in den Wohngruppen. Damit die Eltern unsere Kinder und Jugendlichen auch ohne Besuche den Kontakt halten können, wurden die Frequenzen der Telefonkontakte erhöht. So kann via Festnetz, Diensthandy oder auch via Skype telefoniert bzw. videotelefoniert werden, damit der Trennungsschmerz sich in Grenzen hält.
Zum Abschluss möchte ich noch sagen, dass unsere Kinder die ersten Wochen der Krise gut gemeistert haben und wir uns bereits ein Programm abseits der Beschulungen überlegen, damit wir ihnen einen Abwechslungsreichen bieten können. Ich hoffe, Sie konnten einen guten Einblick gewinnen und unterstützen uns weiterhin in unserer Arbeit mit den Kindern.
Michael Ochs
(Pädagogischer Leiter/Haus 2 und Haus 3)